Seit mehr als zehn Jahren wird die Berechnung der Grundsteuer kritisiert, denn die Immobilienwerte, auf denen die Steuerhöhe beruht, sind völlig veraltet. Nachdem bereits der Bundesfinanzhof vor vier Jahren die Berechnung der Grundsteuer für verfassungswidrig hielt, hatte nun das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden. Die Richter hatten bereits bei der mündlichen Verhandlung im Januar angedeutet, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form zu kippen. Grund sei, dass die Einheitswerte für die 35 Millionen Grundstücke in Deutschland mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht mehr zu vereinbaren wären.
Jetzt haben die Richter in Karlsruhe ihr Urteil gefällt: Die bisherige Berechnung ist nicht verfassungskonform. Der Gesetzgeber muss sich nun beeilen, denn bis spätestens 31. Dezember 2019 muss er eine Neuregelung vorsehen. In der jetzigen Diskussion gibt es aktuell drei unterschiedliche Reformmodelle. Für das von den meisten Bundesländern favorisierte Modell könnte es eng werden. Laut der Landesfinanzminister würden für die Umsetzung des Kostenwertmodells etwa zehn Jahre benötigt werden – doch die Richter erwarten vom Gesetzgeber eine Realisierung in fünf Jahren.
Vom Urteil betroffen ist jeder – sowohl Eigentümer als auch Unternehmer. Aber auch Mieter betrifft es, da Vermieter die Grundsteuer auf sie umlegen dürfen.
Wie funktioniert die momentane Berechnung der Grundsteuer?
Die Grundsteuer wird individuell berechnet und setzt sich aus drei Werten zusammen:
· Einheitswert: Dieser ergibt sich aus dem Wert des Grundstücks. Des Weiteren ist relevant, ob und wie die Bebauung des Grundstücks aussieht. Genau diese Bewertungsgrundlagen sind schon mehrere Jahrzehnte alt.
· Grundsteuerbemessungszahl: Hier dient der Orientierung, ob und wie das Grundstück bebaut ist. Dies entscheidet darüber, welche Prozentzahl des Einheitswertes steuerpflichtig ist. In Westdeutschland betragen die Messzahlen rund 0,3 Prozent; im Osten des Landes sind sie deutlich höher.
· Hebesatz: Diesen Steuersatz kann jede Gemeinde individuell festlegen, wobei regional starke Unterschiede zu verzeichnen sind. In Ingelheim am Rhein beträgt der Hebesatz beispielsweise 80 Prozent; in Witten in Nordrhein-Westfalen hingegen 910 Prozent.
Warum ist die bisherige Berechnung der Grundsteuer aus Sicht der Eigentümer unfair?
Die Berechnung der Grundsteuer basiert auf dem Einheitswert des Grundstücks. Jedoch stammen die Kriterien für die Bewertung des zu versteuernden Grundvermögens im Westen Deutschlands von 1964; in Ostdeutschland sind sie sogar von 1935. Diese Werte sind nach wie vor gültig – egal, ob ein Gebäude völlig verwahrlost ist oder sich sein Wert erheblich erhöht hat. Zwischenzeitlich haben sich ehemalige Randlagen von Großstädten zu Luxusvierteln entwickelt – doch die Grundsteuer bleibt gleich.
Der Bund der Steuerzahler hat dies kürzlich an zwei Beispielen aus Berlin verdeutlicht:
Beide Mieter leben in einer Wohnung von jeweils 70 Quadratmeter Größe. Während dem Mieter in Steglitz-Zehlendorf über die Nebenkostenabrechnung 392 Euro für die Grundsteuer berechnet werden, zahlt der andere Mieter in Berlin-Hellersdorf nur knapp 220 Euro.
Ursprünglich war der Bund die Verpflichtung eingegangen, den Gebäudewert auf den Grundstücken alle sechs Jahre neu zu ermitteln. Da dieses Verfahren recht aufwändig ist, wurde es bisher nicht umgesetzt. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wird der Gesetzgeber nun – nach jahrelanger Diskussion – zum Handeln gezwungen.
Die Alternativen im Überblick
Bereits seit 2016 gibt es einen Reformvorschlag einiger Bundesländer. Danach soll die Grundsteuer B in Zukunft nach dem „Kostenwertmodell“ ermittelt werden. Es gibt aber auch Alternativen.
Das Kostenwertmodell: Die Ländermehrheit ist dafür
Für die Mehrheit der Bundesländer war das „Kostenwertmodell“ bereits der Favorit. Bei diesem Reformkonzept werden Bodenrichtwert und pauschale Baukosten der Gebäude zugrunde gelegt. Hierfür müssen jedoch wiederum Gebäudedaten erhoben werden. Dies bedeutet, dass die Neubewertung von 35 Millionen Grundstücken und Immobilien erforderlich wäre, was viele Jahre in Anspruch nehmen würde.
Dieses Modell könnte für viele Eigentümer eine teure Angelegenheit werden – und daher auch für die Mieter, da diese Kosten als Nebenkosten auf sie umgelegt werden können. Dr. Hans Volkert Volckens, Vorsitzender des Ausschusses für Steuerreicht beim Zentralen Immobilienausschuss (ZIA), warnt: „Wenn die angedachten Anpassungen von Steuermesszahlen und Hebesätzen unterblieben, käme es demnach im Schnitt zu einer Verzehnfachung der Grundsteuer.“ Der Eigentümerverband Haus und Grund geht mit seiner Warnung sogar so weit, dass sich die Grundsteuerbelastung von Eigentümern teilweise vervierzigfachen könne.
Das Flächenmodell: Favorit der Südländer und Immobilienbranche
Die südlichen Bundesländer Hessen, Baden-Württemberg und Bayern halten mit dem Vorschlag dagegen, die Berechnung der Grundsteuer nach dem sogenannten Flächenmodell vorzunehmen. Das bedeutet, dass die Steuer anhand der Bodengrundfläche und der Gebäudenutzfläche ermittelt wird. Unabhängig von den tatsächlichen Werten werden dafür einheitliche Messzahlen vorgegeben.
In der Immobilienbranche findet dieses Modell starken Zuspruch – ZIA, Haus und Grund und IVD sind Befürworter. „Dabei kann zwischen den verschiedenen Nutzungsarten des Gebäudes wie etwa Wohnen und Gewerbe unterschieden werden“, erklärt Hans-Joachim Beck, Steuerexperte des IVD. Hinzu kommt, dass sich dieses Modell recht schnell und ohne übermäßigen bürokratischen Aufwand realisieren lässt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat jedoch die Bedenken, dass dabei Lage und Gebäudewert nicht berücksichtigt werden.
Das Bodenwertmodell: Forderung vom Mieterbund
Der Deutsche Mieterbund (DMB) fordert zusammen mit der Umweltorganisation Nabu eine Berechnung nach Bodenwertmodell. „Hierbei wird als Maßstab für die Berechnung der Grundsteuer ausschließlich der Bodenwert herangezogen“, sagt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des DMB. Gebäudewerte werden dabei nicht berücksichtigt. In einer gemeinsamen Erklärung erläutern DMB und Nabu anhand einer Modellrechnung, welche Auswirkungen dieses Reformmodell haben würde:
· In Mehrfamilienhäusern in größeren Städten käme es im Durchschnitt in etwa zu einer Halbierung der Grundsteuer für die einzelnen Wohnungen.
· Die Grundsteuer für Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke würde sich je nach Lage erhöhen.
· Auf Villengrundstücke in hochpreisigen Lagen kämen Erhöhungen zu, die auf jeden Fall spürbar wären.
· Für unbebaute, aber bebaubare Grundstücke würde sich die Grundsteuer in Form einer reinen Bodensteuer vervier- bis verfünffachen.
· Bei Reihenhausgrundstücken würde eine geringere Grundsteuer anfallen als heute. „Vorteil dieses Modells ist, dass die Bodenwerte fast überall bereits zur Verfügung stehen und die Reform kurzfristig umgesetzt werden könnte“, erklärt Ropertz. Zudem würden Etagenwohnungen im Vergleich zu Einfamilienhäusern besser abschneiden als bei der momentanen Grundsteuerregelung. Überdies würde auch unbebautes Bauland mit einer Bodenwertsteuer belegt. Das hätte zur Folge – anders als aktuell – dass Bauland für den Wohnungsneubau mobilisiert werden würde.
Dazu kommt u. a. vom ZIA Kritik, da eine reine Bodensteuer keine verursachungsgerechte Anlastung der Kosten berücksichtigen würde.
Fristsetzung für die Neuberechnung: 2019 – Wie soll es weitergehen?
Bis Ende 2019 muss der Gesetzgeber eine Nachbesserung vornehmen. Bis dahin dürfen die verfassungswidrigen Regeln weiter Verwendung finden. Nach der Verkündung gewähren die Richter erneut eine fünfjährige Übergangsfrist – max. bis zum 31. Dezember 2024. Ab 2025 sind Belastungen mit Grundsteuer nur auf der Grundlage bestandskräftiger Einheitswert- oder Grundsteuermessbescheide aus früheren Jahren nicht mehr möglich.
Die Realisierung des Kostenwertmodells würde laut der Finanzminister der Länder etwa zehn Jahre dauern. Nach dem Urteil der Richter – selbst wenn dies umgesetzt werden soll – muss dies schneller passieren. „Zur bundesweiten Neubewertung aller Grundstücke bedarf es eines außergewöhnlichen Umsetzungsaufwandes im Hinblick auf Zeit und Personal. Vor diesem Hintergrund hält der Senat die Fortgeltung der alten Rechtslage für weitere fünf Jahre geboten aber auch ausreichend“. Aus Sicht des IVD ist dieser Reformvorschlag der Bundesländer bereits zu den Akten gelegt. – „Die Entscheidung deutet darauf hin, dass das von den Südländern entwickelte Flächenmodell eingeführt werden muss“, lautet die Einschätzung von Steuerexperte Beck vom IVD.
Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr
Freitag von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr